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Schostakowitsch-Büste in Gohrisch

Schostakowitsch in Gohrisch

Der russische Komponist Dmitri Schostakowitsch weilte zwei Mal – in den Jahren 1960 und 1972 – im Kurort Gohrisch in der Sächsischen Schweiz. Bei seinem ersten Aufenthalt komponierte er hier sein achtes Streichquartett c-Moll op. 110. Es gilt heute als eines seiner bedeutendsten Werke und ist nachweislich das einzige Werk, das Schostakowitsch außerhalb der Sowjetunion komponierte.

Anlass für Schostakowitschs ersten Besuch in Gohrisch war ein Aufenthalt in Dresden, wo er gemeinsam mit dem Regisseur Lew Arnstam an dem Film "Fünf Tage – fünf Nächte" arbeiten sollte. Der Propagandafilm – eine ostdeutsch-sowjetische Koproduktion – behandelte die Evakuierung der Dresdner Kunstschätze durch die Rote Armee nach Moskau im Jahr 1945. Schostakowitsch sollte hierfür die Filmmusik schreiben. Aus diesem Grund zog er sich vom 9. bis zum 15. Juli 1960 in den Kurort Gohrisch zurück. Im dortigen feudalen Gästehaus des Ministerrates der DDR arbeitete er dann allerdings nicht an der Filmmusik, sondern er komponierte hier zwischen dem 12. und 14. Juli 1960 sein sehr persönlich gehaltenes achtes Streichquartett.

Schostakowitsch schrieb das Werk laut Augenzeugenberichten unter der Buche am kleinen nierenförmigen Teich im Innenhof des Gebäudekomplexes. Sein Zimmer befand sich im ersten Stock des Hauptgebäudes, gleich neben dem hinteren Treppenhaus. Im runden Restaurant-Pavillon mit seiner filigranen Empore pflegte Schostakowitsch allmorgendlich auf dem Flügel zu spielen.

Im Mai und Juni 1972 verbrachte Schostakowitsch – im Anschluss an die Ostberliner Erstaufführung seiner fünfzehnten Symphonie – mit seiner jungen Frau Irina erneut einige Wochen im Gohrischer Gästehaus, das in der Zwischenzeit um einen Neubau erweitert worden war. Hier besuchte ihn auch der Dirigent Kurt Sanderling, mit dem er seit Jahrzehnten befreundet war und der in den 1960er-Jahren als Chefdirigent die Dresdner Staatskapelle leitete. Später berichtete Schostakowitsch seinem polnischen Komponistenfreund Krzysztof Meyer von diesem zweiten Aufenthalt in der Sächsischen Schweiz, deren Landschaft ihm außerordentlich gefiel.

Bereits nach seinem ersten Besuch in Gohrisch hatte er am 19. Juli 1960 an seinen Freund Isaak Glikman geschrieben: "Ich bin von meiner Reise nach Dresden zurückgekehrt. Ich habe mir das Material zu dem Film ‘5 Tage, 5 Nächte’ angesehen, den L. Arnstam dreht. Ich muss sagen, dass mir vieles sehr gefallen hat. Da offenbart sich die sehr gütige Seele Ljoljas. Und darin liegt die Hauptbedeutung dieses Films. Man hatte es mir dort sehr gut eingerichtet, zwecks Schaffung einer schöpferischen Arbeitsatmosphäre. Gewohnt habe ich in Gohrisch, auch Kurort Gohrisch, nahe dem Städtchen Königstein, 40 Kilometer von Dresden entfernt. Die Gegend ist unerhört schön. Übrigens gehört sich das für sie auch so: Die Gegend nennt sich 'Sächsische Schweiz'. Die schöpferischen Arbeitsbedingungen haben sich gelohnt: Ich habe dort mein 8. Streichquartett komponiert."